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Die
Musik Indonesiens
von
Ingo Stoevesandt
Beim
Thema
“Musik aus Indonesien” fällt inzwischen
fast jedem
zuerst das Gamelan Ensemble ein. Dieses Orchester
mit seinem
metallischen Klang und seiner hoch komplexen Musiktradition hat es zu
weltweiter Berühmtheit gebracht, selbst in Deutschland gibt es
inzwischen viele Gamelan Ensembles. Was oft
vergessen wird, ist dass in Indonesien weltweit die
größte
Anzahl an Moslems lebt, und so muß natürlich die
Frage nach
einem Einfluß islamischer Kultur auf das indonesische
Musikleben
gestellt werden. Auch die europäischen Kolonisierungsversuche
des
Mittelalters haben viele Spuren hinterlassen, und die musikalische Welt
Indonesiens präsentiert sich heute so vielfältig und
kontrastreich, dass es kaum möglich scheint, die
Übersicht zu
bewahren. Auf
welche Arten von Musik trifft man also heutzutage in Indonesien?
Schwerpunkte
Von
den
17000 Inseln Indonesiens sind etwa 6000 besiedelt. Von den hier
lebenden 240 Millionen Menschen sind heute nahezu 88 Prozent
Moslems, die anderen 12 Prozent Christen, Hindus oder Buddhisten. Daher
wird auch ein Schwerpunkt der Betrachtung aktueller indonesischer Musik
in der Frage liegen, welchen Einfluss der Islam auf das aktuelle
Musikleben Indonesiens hat.
Die
Insel Bali nimmt in
Indonesien eine nicht nur historische Sonderrolle ein. Der ansteigende
Tourismus hat mit steigender internationaler Aufmerksamkeit auch ein
gesteigertes Engagement in Bezug auf die Balinesischen Traditionen
hervorgebracht. Vor allem die Balinesische Gamelan
Musik
erfreut sich weltweit außerordentlicher Beliebtheit und ist
heute
ein gut vermarktbarer Artikel für jeden
“Weltmusik”-Anbieter.
In
der gleichen
Verkaufsrubrik findet sich auch immer
häufiger die “Regenwaldmusik” der Batak auf
Sumatra. Hier wird der musikalische Exotismus, der sich für
die
Balinesische Gamelan Musik bereits als erfolgreich
erwiesen
hat, zum esoterisch angehauchten Verkaufsschlager.
Man
muß sich generell die Frage stellen, warum bestimmte Bereiche
der
indonesischen Musiktradition sich so gut vermarkten lassen und ob
die
damit einhergehende Aufmerksamkeit auch dazu führt, dass diese
Bereiche besser erforscht werden. Zumindest gilt für die
Balinesische Gamelan Musik, dass sie so gut
erforscht ist, wie
es sich weite Bereiche der südostasiatischen Musiktraditionen
nur
wünschen könnten.
So
ist der
Begriff des “Exotismus” bei Musikwissenschaftlern
negativ
belegt, gerät eine Sache doch nur in den Fokus der
Aufmerksamkeit
weil sie “anders” und “fremd”
ist. Für die
Rezeption der Balinesischen Gamelan Musik wirkte
dieser
Exotismus jedoch scheinbare Wunder, und man muß sich fragen,
ob
diese Musik heute als so gut erforscht gelten würde, wenn die
Forschung nicht Unterstützung durch die steigende Bekanntheit
mit
der Vermarktung des Gamelan erfahren hätte.
Allerdings
ist die Verknüpfung von Erforschung und Vermarktung eine
Gratwanderung, der viele andere Traditionen im Zuge der
fortschreitenden Globalisierung noch ins Auge sehen müssen. Da
in
Indonesien anderen Bereichen der Musik wie z.B. dem Portugiesisch
geprägten Keroncong oder der Volksmusik der
vielzähligen ethnischen
Minderheiten nicht die gleiche Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird
wie der Gamelan Musik, bleibt abzuwarten, ob sich
der
“Hype” um das Gamelan auch auf
andere Bereiche
indonesischer Musik überträgt.
“Karawitan”
und Islam
“Karawitan”
ist ein Sammelbegriff für jede Art von Gamelan
Musik auf
Java. Der Name “Gamelan” selbst ist auch ein
Sammelbegriff
für Ensemblemusik mit Metallophonen (“gamel” =
in etwa
“behandeln, berühren”), und so ist
“Karawitan” eine der ältesten
Musikgattungen
der Welt,
zurück verfolgbar bis in die frühe Bronzezeit.
Als
die
ersten Wali (Missionare) im 16. Jahrhundert
auftauchten,
verstanden sie schnell, wie stark die lokalen Traditionen wie das
Puppenspiel Wayan Kulit und Gamelan
Musik im
gesellschaftlichen Leben verankert waren. Daher beschlossen sie, diese
nicht zu verbieten sondern zu tolerieren und zu unterstützen. Mehr noch,
im Gegensatz zu ihrer Heimat, wo musikalische Darbietungen
während
einer Zeremonie verboten waren, benannten sie auf Java das
“Gamelan sekati” als Hauptensemble
für die 6
Feiertage des sekaten, einer Feier zur Erinnerung
an den
Propheten Mohammed. Dieses spezielle Ensemble sollte für die
weitere Entwicklung der Gamelan Musik auf Java ein
große
Rolle spielen:
Es ist bis heute aktiv und ein sehr charakteristisches
Ensemble, da es aus ausschließlich sehr lauten Instrumenten
besteht, leise Instrumente wie die Geige Rebab oder
die
Längsflöte Suling fehlen hier. Es war das
einzige Ensemble mit einem
Tonumfang von mehr als drei Oktaven, die Bervorzugung der
heptatonischen Tonleiter pelog (eine
Entwicklung aus dem Hinzufügen eines neuen Tones
(“bem”)
zur
indigenen Tonleiter vom Wali Kangjeng
Kunggul führte zu einer Verbreitung in ganz Indonesien, und
seine
Musik ist im Vergleich zu anderen gender
(Musikstücken des
Gamelan) sehr langsam und eingängig.
Der Islam
war also nicht nur Mentor und Förderer der javanischen Gamelan
Musik, sondern auch ein entscheidender Entwicklungsfaktor.
Nach
über 400 Jahren lassen sich im aktuellen Musikleben
Indonesiens
noch mehr Spuren des Islam entdecken: Das Lautenspiel auf der gambus
(eine persische Oud)
ist weit verbreitet, ebenso der Gesang der arabischen kasidah
Melodien, und die zeremoniellen Zusammenkünfte zikir
und sama
erinnern an die Sufi Traditionen Persiens. Bei
einem solchen Zusammentreffen
(“indang”)
singt
ein Vokalist ein Rezitativ während
ihm 15 Sänger chorisch antworten und dabei die arabische
Trommel rabana
spielen. Das Rezitativ wird manchmal von der Geige Rebab
begleitet, die arabischen Ursprungs ist und heute ein fester
Bestandteil des Gamelan Ensemble geworden ist. Die
Ornamentationstechnik des Gamelan ist
ähnlich komplex und
elementar wie die Ornamentik einer “Arabeske”,
jedoch fehlt
die Mikrotonalität der arabischen Tonleitern.Der Islam
erweiterte auch das Klangbild des alltäglichen Lebens mit dem
Rufen des Muezin und den täglichen Gebeten. In
jüngster Zeit scheint die Toleranz des Islam
gegenüber dem
indonesischen Musikleben jedoch Rückschläge hinnehmen
zu
müssen, wie der Fall der Sängerin “Inul” aktuell
aufzeigt...
Musik
ausserhalb des “Karawitan”
Einfach nur
“Musik”, so nennt man in
Indonesien jegliche Musik,
die nichts mit “Karawitan” oder
dem “Wayang
Kulit” zu tun hat.
Allerdings sind die Grenzen
fließend, manchmal fällt es schwer zu entscheiden ob
ein
Ensemble nun gerade “Musik” oder
“Karawitan”
hören läßt. Hierzu
gehört auch der Sender MTV mit seinem indonesischen Programm
aus
landeseigener Pop- und Rockmusik , ebenso wie beispielsweise das
“Orkes
Melayu”, ein Ensemble, das ursprünglich
aus Malaysia
stammt und inzwischen in bunten Zusammensetzungen (von indischen Tablas
über E-Gitarre bis hin zum Jazztrio) fröhlich
arabische,
indische, europäische und Gamelan Melodien
miteinander
vermischt und damit ähnlich erfolgreich ist wie ein westlicher
Popstar.
Immer
noch
lebendig und beliebt ist seit Auftauchen der portugiesischen
Händler im 16. Jahrhundert die “Keroncong”
Musik (der Name ist onomatopoetisch für das
Anschlagsgeräusch
der portugiesischen Gitarre). Hier kommen einheimische ebenso wie
europäische Instrumente (Geige, Cello, Gitarre) zum Einsatz,
und
musiziert wird in allen Tonarten. Man muß sich nicht wundern,
wenn man sogar einen Fado hört.
Die
Tradition des Sologesanges tembang ist
vielfältig, viele
Lieder sind jedoch bereits verschwunden. In dieser reichen Tradition
gibt es beliebte Gesänge für Frauen (“sindang”)
und Männer (z.B. “bawa”)
und
Unisonogesänge für mehrere Sänger
(“gerong”)
bis hin zu dem vom deutschen Künstler Walter Spies geförderten
“Cecak”-Gesang, bei dem
Männer im Kreis stehen und die Gamelan
Musik durch
mehrstimmiges Intonieren der Silbe “Cak” imitieren.
Die
Volksmusik Javas und Sumatras gilt bis heute als weitgehend
unerforscht. Hier mag ein Ursprung der Gamelan
Musik gelegen
haben, denn hier schaffen eine Zither, eine Trommel und zwei
Sänger Stücke zu denen im Gamelan
20 Musiker
benötigt werden.
Immer noch hört man auf Volksfesten die beliebten
Gesänge
lagu, und man begegnet oft den Kinderliedern lagu
dolanan.
Die Ensembles der Volksmusik erscheinen als äußerst
vielfältig und einem steten Wandel unterworfen.
Der
Vielvölkerstaat Indonesien kennt 300 verschiedene
Volksgruppen,
nahezu 350 verschiedene Sprachen werden neben der Amtssprache Bahasa
Indonesia gesprochen. Jede dieser Volksgruppen kennt
spezifische
Musiktraditionen, die hier natürlich nicht im Einzelnen
besprochen
werden können, vor allem, weil bisher zum Teil nur
äußerst wenig über die Musik dieser
Völker bekannt
ist. Dennoch rücken Völker wie z.B. die Batak immer mehr
ins Zentrum weltweiter Aufmerksamkeit, und es bleibt zu hoffen, dass
neben der “weltmusikalischen” Vermarktung auch
Musikethnologen ein weites Arbeitsfeld vorfinden, um diesen Traditionen
mit Seriösität und Respekt zu begegnen.
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