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Musik
aus Laos
von Ingo Stoevesandt Einst war Laos berühmt als das “Königreich der Millionen Elefanten”, doch von dem Glanz dieser Zeit sind nicht einmal die Elefanten geblieben. Heute ist Laos eins der ärmsten Länder der Welt und wird von Touristen meist nur wegen der bunten Tempel geschätzt. Hier muss Laos sich wie in fast allen Bereichen dem Vergleich mit Thailand, Kambodscha und Vietnam stellen. Doch Laos hat immer noch eine eigene kulturelle Identität zu bieten, die nichts von ihrem Reiz verloren hat, die teilweise sogar essentiell im (nicht nur geographischen) Mittelpunkt der musikalischen Traditionen des südostasiatischen Festlandes steht. Die aktuelle Musiksituation in Laos ist schwierig zu beschreiben, da sich hier inzwischen noch stärker als im restlichen Südostasien die verschiedensten Musiktraditionen mischen. Die heutigen Landesgrenzen haben nur wenig mit dem klassischen "Königreich der Millionen Elefanten" gemeinsam, sie entstanden hauptsächlich durch die Aufteilung des Landes durch die französischen Kolonisten entlang des Mekong. Da nach 1975 viele Lao fluchtartig das Land in Richtung Europa, USA und auf die andere Seite des Mekong (Thailand) verließen, findet man heute noch viele Lao in Thailand und dort ebenfalls den Begriff der Gesangstradion "lam", der jedoch einen eigenen Thailändischen Stil bezeichnet. So finden wir auch in Laos das Ensemble “Pi Phat” (“Pin Peat” in Kambodscha), die “Maholi”-Musik ("Mahori" in Kambodscha) und die entsprechenden Instrumente. Es macht eine Annäherung bequem, wenn man aufgrund gleicher historischer Wurzeln davon ausgeht, die traditionelle und aktuelle Musikkultur bereits aus Kambodscha und Thailand zu kennen, jedoch wird man damit der Laotischen Musiktradition nicht gerecht. Mehr noch, die für die Entwicklung der musikalischen Kultur ebenso wichtigen Einflüsse der in Laos siedelnden ethnischen Minderheiten wie z.B. der Mon und der Khmu bleiben bis heute weitgehend unerforscht, was durch die Tatsache, daß von 1975 bis 1990 sich das Land nicht nur geographisch sondern auch politisch völlig isolierte und Musikforschern den Zugang verweigerte, verstärkt wurde. Dies gipfelte darin, daß die klassische Hofmusik von der Regierung als "elitär und burgeoise" empfunden und verboten wurde, so daß sie aus dem Musikleben in Laos nahezu gänzlich verschwand. Die aktuelle Armut der Bevölkerung (Laos ist eines der ärmsten Länder der Welt) verhindert ebenfalls, daß sich angehende Künstler Instrumente, die fast ausschließlich nur noch in Thailand hergestellt werden, leisten können oder gar dafür entscheiden, einen Beruf als Musiker zu ergreifen. So ist die Beschreibung der folgenden Musikformen mit Vorsicht zu betrachten, da selbst der Popmusikmarkt in Laos sich inzwischen stark an Thailändischen Vorbildern orientiert und somit beim musikalischen Nachwüchs andere Wünsche weckt, als die lokalen Traditionen fort zu führen und zu erhalten. Im Zentrum der traditionellen Formen stehen neben der Mundorgel Khene die Einbindung der Gesangstraditionen "lam" im Süden und "khap" im Norden von Laos. So wie die Traditionen des Nordens durch die klassische Hofmusik aus Luang Prabang und die südlichen Traditionen durch thailändische Verknüpfungen geprägt sind, findet man tiefem Süden in Champassak vor allem Einflüsse der Khmermusik. Seit 1990 verfügt Laos auch wieder über ein Konservatorium, in dem Ensembles ausgebildet werden, und in denen die einzige Theatertradition in Laos, die der umherziehenden Erzähler "li-ke", weiter geführt wird. Die verschwundene klassische Musik ist heute noch im "khap thum" Ensemble zu erahnen, da dort viele klassische Instrumente genutzt werden. Wichtigstes und tonangebendes Instrument bleibt für fast alle Formen allerdings die Mundorgel Khene. Aus der diatonischen Tonleiter dieses Instruments leiten sich durch Auslassung zweier "Nebentöne" fünf pentatonische Hauptskalen ab, die sich ähnlich der westlichen Einteilung in "Dur" ("san") und "moll" ("yao") aufspalten lassen: SAN: "sutsanaen" (auf G) - "po sai" (auf C) - "soi" (auf D) YAO: "yai" ("groß", auf A, hohes Register) - "noi" ("klein", auf D, tiefes Register) Vergleicht man zwei dieser Tonleitern, so ist die Skala “Yao an nungsu” (rechtes Bild) nur ein verschobener Ausschnitt der Skala “Hai fung”(linkes Bild) mit einem anderem Grundton: Was an Kirchentonarten und die modale Musik in Vietnam und Burma erinnert, spiegelt sich in den "lai" genannten Skalen in Laos wieder, wobei die "lai" jedoch oft funktional und thematisch gebunden sind, ähnlich wie die "thang" in Thailand. In der heutigen Volksmusik, bei öffentlichen Feiern und Festen, hört man vermehrt die pentatonischen “lai” und vereinzelt auch temperierte Moll- und Durtonleitern. Da die tonangebende Khene manchmal durch die Bambusflöte "khui" ("khlui" in Thailand) ersetzt wird, die sieben equidistante Grifflöcher besitzt, hört man auch immer seltener isotonische Skalen in Laos. Die einzelnen Gesangstraditionen in Laos könnte in ihrer Einzeldarstellung einen Katalog füllen, so vielfältig erscheinen die einzelnen Stile. Grundsätzlich mag man pauschalisieren, daß in den "lam" Gesängen des Südens Thailändische und in den "khap" Gesängen des Nordens Einflüsse der Bergvölker und der klassischen Hofmusik überwiegen. In der "lam" Tradition steht die Khene im Mittelpunkt, wenn sie auch meist ohne ihre Bordunfunktion und rein melodisch genutzt wird. In den "khap" Traditionen basieren die Verse oft auf sieben Silben, die "lam" Traditionen auf vier oder fünf Silben. Anders als in den Thailändischen Gesängen, in denen bis zu drei melodische Sequenzen genutzt werden, gibt es in Laos sowohl in den "lam" als auch den "khap" Traditionen nur ein melodisches Grundmuster für ein Genre - das bekannteste ist die Grundmelodie des "lam tang van": aa-gg-f-d Bei einer Gesangs- oder einer Tanzaufführung sitzt der/die SängerIn und trägt alle Bewegungen nur mit dem Oberkörper vor ("fon"), während in der zweiten Reihe ebenfalls ein Khenespieler sitzt und zurückhaltend den Gesang begleitet. In Heilungsritualen ("lam phi") werden durch den Gesang krank machende Geister beschworen. Beim Raketenfest "pong fai" wird der Gesang lebhaft vom Trommelensemble "kong yao" unterstützt, und bei den ethnischen Minderheiten in den Bergen trifft man während der Büffelfeste auf Gongensembles und vermischte "Pi Phat" Ensemble. Die erklingende Musik ist also vielfältiger als die Größe und geographisch isolierte Lage von Laos vermuten läßt. Seit der politischen Öffnung des Landes wird Laos jedoch selbst von Touristen nur beschränkt wahrgenommen, Reiselustige trifft man vor allem auf der Verbindungsstraße zwischen den beiden Hauptmetropolen Vientiane und Luang Prabang. Doch abseits dieser Hauptstraße ist es eher ruhig, was nicht nur an der schlechten infrastrukturellen Anbindung und der damit gerbundenen schlechten Erreichbarkeit liegt. Mit Sorge ist immer noch die Situation der ethnischen Minderheiten zu betrachten, allen voran die Situation der Hmong, die nicht nur von der Regierung gerne als "Banditen" instrumentalisiert werden, um neugierige Touristen von abseitigen Pfaden fern zu halten. Sie finden sich als "Rebellen" im Kampf mit dem einheimischen Militär wieder und bieten neben den Haftbedingungen in Laos Anlaß zu großer Besorgnis. Seit dem Einmarsch der Siamesen in Vientiane im neunzehnten Jahrhundert ist das Verhältnis zum Nachbarn Thailand auch nicht unebdingt freundschaftlich geprägt, mehr noch, die kulturelle Selbstidentifikation bündelt sich oft in dem Vergleich mit dem "Bruder" von der anderen Seite des Mekong. Diese politischen Hintergründe verändern und verhindern entscheidend die Entwicklung der Laotischen Musiktraditionen. Unabhängig von seiner isolierten Lage ist Laos zumindest ein wichtiger Knotenpunkt im Verständnis für das Ineinandergreifen unterschiedlicher Musiktraditionen. Die Vertreibung und Zwangsinhaftierung von Künstlern und Lehrern hat, ähnlich wie in Vietnam und Kambodscha, zu einem bereits schmerzhaften Verlust klassischer Tradition geführt, der sich in dem durch die Armut geförderten Desinteresse der nachwachsenden Generation noch verstärkt und damit das Wissen um weitere Stile und musikalische Gepflogenheiten gefährdet. Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung kann man Laos nur wünschen, dass die Gesangstraditionen und auch die komplexe Musik der Khene nicht in Vergessenheit geraten, denn sie bilden die Basis für ein kulturelles Selbstverständnis der Lao das bis in die historischen Wurzeln des "Königreiches der Millionen Elefanten" zurück reicht. |